Solidarität gegen die repressive Verurteilung eines Wiesbadener Antifaschisten

Das Wiesbadener Bündnis gegen Rechts  bezieht Stellung zur Verurteilung eines Aktivisten im Zuge einer Blockade von Rechtspopulist*innen/ -extremist*innen in gelben Westen.

Nachdem 2018 die Wiesbadener Gruppe „Hand in Hand – Gegen die Gewalt auf unseren Straßen“, die offen ihre Verbindungen in die rechtsextreme Szene präsentierte, durch antifaschistischen Protest und Recherchen in die Versenkung von Facebook zurück gedrängt wurde, trat 2019 eine „neue Gruppierung“ in Erscheinung.

Unter dem Namen „Wir sind viel mehr“ wollte diese „neue Gruppe“ am 19.01.2019 in gelben Westen in Wiesbaden auf die Straße gehen.
Die interessierten Teilnehmer*innen der Facebookveranstaltung bestanden aus Teilen von „Hand in Hand Wiesbaden“, sowie bekannten Rechtspopulist*innen und sogenannten „normalen“ Bürgern.

Zu den bekanntesten Teilnehmer*innen gehörten Hendrik Stökel, ein Rechter Youtuber, sowie die Rechtspopulistin Inge Steinmetz. Beide sind polizeibekannt und versuchen durch ihre Medienpräsenz die Brücke zwischen rechtsoffenen Bürger*innen und rechtsextremen Bewegungen zu bauen.

Die damalige Anmelderin Sandra Scheld tritt heute offen bei Pegida-ähnlichen Versammlungen vor Neonazis im Westerwald auf und verbreitet Verschwörungstheorien.

Eine Reaktion auf diese Gruppierung und deren Veranstaltung war folgerichtig und wichtig. Den „normalen Bürger*innen“, die sich dort zum Teil anschlossen und den Behörden und der lokalen Presse, die wie immer in Wiesbaden auf dem rechten Auge „unbegabt“ sind, galt es, die rechtsextreme Intention dieser Gruppe zu verdeutlichen.

Dass eine Gruppe von 20 friedlichen Aktivist*innen eine Gruppe von 100 Gelbwesten für anderthalb Stunden in einer Landeshauptstadt auf einer sechsstreifige Straße mit ca. 25m Breite aufhält ist erstaunlich und erfreulich.

Dass diesen Aktivisti vorgeworfen wird, sie hätten die Versammlung gesprengt ist hingegen lächerlich, da die Versammlung selbst zu keiner Zeit unterbrochen wurde. Auch hätte der Aufzug der Gelbwesten umgeleitet werden können (das funktioniert bei anderen Neonaziaufmärschen schließlich auch).

Dass aus der Gruppe der Gelbwesten heraus zu Angriffen auf die 20 friedlichen Aktivisti aufgerufen wurde, ist in Videos von Stöckel und Steinmetz dokumentiert.  Auch dokumentiert ist der in diesem Jahr von Steinmetz zum Nachteil von Aktivisti eingesetzte Totschläger, den sie bereits auf der Kundgebung am 19.01.2019 im Video anspricht. Hierzu gibt es weder Ermittlungen noch Presseberichte.

Wir als Wiesbadener Bündnis gegen Rechts bedanken uns an dieser Stelle ausdrücklich für den Einsatz der 20 mutigen Aktivisti und sicheren ihnen unsere Solidarität und Hilfe zu.

Als Antifaschistinnen und Antifaschisten ist es unser Ziel, Rechtsextremismus und rechte Tendenzen zu erkennen, zu benennen und zu bekämpfen.

Heute wie damals gibt es viele Erscheinungsformen von Rechtsextremist*innen und Antisemit*innen, dabei zeigen sich die wenigsten offen.

Das Wiesbadener Bündnis gegen Rechts wurde gegründet, um dem offenen Auftreten von NPD Kadern in Wiesbaden Einhalt zu gebieten.

Heute sitzt mit der AfD eine NPD-Nachfolgerin in deutschen Parlamenten. Gruppierungen wie Hand in Hand oder die Wiesbadener Gelbwesten sind Ausdrucksformen des Rechtsrucks in der Bevölkerung.

Besonders mit Blick auf die aktuellen Ereignisse um den NSU 2.0 oder den Lübke Mörder aus unserer Nachbarschaft ist es nochmal wichtiger, sich den Rechten offen entgegen zu stellen. Auch und besonders, weil das (wie hier) eine Verurteilung mit 30 Tagessätzen oder (in anderen Fällen) die Bedrohung von Leib und Leben bedeuten kann. Die zunehmende Repression im Kampf gegen Rechts macht uns wütend und fassungslos. Diese Repression, sowie zunehmende Einschüchterungsversuche gerade gegenüber jungen Menschen, die sich antifaschistisch positionieren, macht es in unseren Augen umso wichtiger, Stellung zu beziehen und sich auch und gerade öffentlich zu positionieren.

Wir werden auch zukünftig ein kritisches Auge auf Gruppen in und um Wiesbaden werfen und freuen uns, wenn auch die schweigende Mehrheit sich wieder aktiv an diesem Diskurs beteiligt.

Leider erwarten wir weder von einem Wiesbadener Ordnungsdezernenten, noch von einem Wiesbadener Kurier eine Verbesserung ihrer Sehfähigkeit auf dem rechten Auge.

Wir verbleiben mit antifaschistischen Grüßen, bleibt gesund!

Am 21.07.2020 gegen NSU 2.0 auf die Straße.

Wir, eine Gruppe politisch interessierter Menschen aus dem Umfeld des Wiesbadener Bündnisses gegen Rechts, werden am Dienstag den 21.07.2020 ab 15:00 Uhr vor dem Hessischen Landtag stehen und anschließend um 18:00 Uhr nach unserer Kundgebung vor dem Landtag zum 3.Polizeirevier Wiesbaden aufbrechen, um unsere Wut an den Ort der Täter*innen zu tragen. Denkt bitte an die geltenden Corona-Regeln (Mundschutz und Abstand), von Parteifahnen und -transparenten bitten wir abzusehen.

2016 lieferten hessische Polizist*innen dienstliche Informationen an Rechtsextremist*innen aus dem Umfeld der Aryans[1]
2017 riefen Polizist*innen in Frankfurt Daten aus rechts-nationalen Motiven ab [2].
2018 folgten dann die Drohungen gegen Seda Basay-Yildiz, deren Daten aus dem 1.Revier in Frankfurt stammten[3].
2019 wurde eine rechte Whatsappgruppe in der Frankfurter Polizei entdeckt[4].
Um nur einige Vorfälle der letzten Jahre zu nennen.

Heute, 2020, werden wieder Drohschreiben mit der Unterschrift NSU 2.0 versendet. Dieses Mal stammen die Daten aus Wiesbaden, der Polizeihauptstadt von Hessen.
Neben dem hessischen Landeskriminalamt, Landesamt für Verfassungsschutz, Innenministerium, Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus (auch rechts) und vielen weiteren Landeseinrichtungen, sitzt hier auch das Bundeskriminalamt, in dem maßgebend nationale polizeiliche Strategien gegen Extremismus entwickelt werden.

All diesen Ämtern ist gemein „dass sie das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Landes Hessen sowie alle in Hessen geltenden Gesetze wahren und ihre Pflichten gewissenhaft und unparteiisch erfüllen werden“[5]

Wir sind entsetzt und wütend, dass eben diese Bewahrer*innen von Recht und Gesetz in Hessen und der Republik seit Jahren, immer weiter nach rechts driften. Befeuert von einem Innenminister, der auf dem rechten Auge blind ist und geschützt durch einen, auch durch die Gewerkschaften der Polizei genährten, Korpsgeist.

Wir sind entsetzt, dass ohne das Engagement von Journalist*innen und Aktivist*innen Rechtsextreme in Hessen weiter unbehelligt Menschen bedrohen und ermorden könnten.

Es waren Recherchegruppen, die den Mörder eines CDU Politikers im Auge behielten,
es sind Journalist*innen, die diese Netzwerke an die Öffentlichkeit ziehen, es war linksunten.indymedia, dass als Publikationsplattform für Antifarecherchen vom BMI verboten wurde und es sind Anwält*innen, die Betroffene vertreten und verteidigen und dafür mit dem Tode bedroht werden.

Seid laut, seid kreativ, seid wütend! Zeigt die Namen der Opfer und kommt am Dienstag auf die Straße.
Wir freuen uns auf euch!

 

[1]https://www.fr.de/rhein-main/cdu-org26591/zahl-rechtsextremismus-faelle-polizei-steigt-11415907.html
[2]https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/polizei-hessen-109.html
[3]https://www.tagesschau.de/inland/drohbriefe-politikerinnen-101.html
[4]https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/fuenf-polizisten-in-hessen-wegen-rechter-gesinnung-entlassen-16405060.html
[5]Vgl.  http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?xid=5760719,48